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Im Stimmungstief

Tuesday 21 March 2017

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Kleinere Firmen befürchten, kaum noch Kredite zu bekommen. Die Banken sehen wirtschaftspolitische Vorgaben als Risiko

Die Idee ist meist schnell geboren. Die Umsetzung dauert dafür um so länger. Diese Erfahrung musste auch Ron Lehnert machen. Wie bei vielen anderen Start-ups zogen sich die Gespräche mit dem Kreditinstitut ohne Ergebnis hin. Schließlich wählte der Berliner eine Crowd-Finanzierung, und Doxter wurde das erste Start-up, für das die damals noch junge Online-Plattform Companisto im Internet Geld einsammelte. 421 Anleger gaben vor fünf Jahren insgesamt 100.000 Euro. Damit konnte das Team die Buchungsplattform für Arzttermine erfolgreich ausbauen.

Vor einem Vierteljahr kaufte der luxemburgische Mitbewerber Doctena die Firma. Die privaten Doxter-Geldgeber erhielten ihr Investment mit Gewinn zurück. Laut Lehnert, der als Geschäftsführer Deutschland in der Firma blieb, „sind Sicherheiten für benötigte Bankkredite fast immer das Hauptproblem, mit dem Start-ups zu kämpfen haben“. Als Gründer stehe man ganz am Anfang, während die Geldhäuser vor allem keine Risiken eingehen wollten.

Dass immer mehr Firmen Alternativen zur Finanzierung suchen, ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass die Palette möglicher Kreditgeber in den vergangenen Jahren deutlich breiter geworden ist. Die Hausbanken bleiben zwar weiterhin die mit Abstand bevorzugten Finanziers, verursachen aber zunehmend Sorgenfalten, rechnen doch zwei Drittel der deutschen Mittelständler in diesem Jahr mit erschwerten Finanzierungsbedingungen. Schon 2016 fiel es nach Angaben von creditshelf jeder zweiten Firma schwerer, Darlehen zu erhalten. Gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt publizierte der Online-Kreditmarktplatz seinen aktuellen „Finanzierungsmonitor”.



Demnach erwarten kleine und mittlere Firmen auch für das laufende Jahr nicht von den anhaltend niedrigen Zinsen zu profitieren. Im Gegenteil. 64 Prozent gehen nach Angaben von Dirk Schiereck vom Lehrstuhl für Unternehmensfinanzierung der TU Darmstadt bei der Kreditaufnahme für den eigenen Betrieb von steigenden Zinsen aus. 63 Prozent befürchten zudem eine noch restriktivere Kreditvergabe. Laut Schiereck belegt die Expertise, dass „der Mittelstand eher wenig von einer angeblichen Kreditschwemme spürte“. Stattdessen habe sich, mit Blick auf die Finanzierung des laufenden Geschäfts für Rohstoffe und Waren, der Verwaltungsaufwand beim Beantragen von Krediten erhöht. Auch die Wartezeiten bis zur möglichen Gewährung verlängerten sich. Dabei ist nach Angaben des TU-Forschers die kurzfristige Finanzierung des täglichen Geschäfts für die Firmen von besonderer Wichtigkeit. Denn neun von zehn Unternehmen bezahlen ihre Produktionsmittel meist über klassische Bankkredite.

Diese Erlebnisse haben nach Meinung des Experten zwangsläufig Auswirkungen auf die Zufriedenheit: „Nur noch 62 Prozent der Firmen bezeichnen den Umgang mit ihren Hausbanken als unbürokratisch.“ 2015 waren es noch 75 Prozent. Laut Studie empfindet zudem jeder vierte Mittelständler seine Bank als unflexibel und wenig partnerschaftlich. Besonders in der Industrie sei die Stimmung gekippt, meint Schiereck. Während 2015 noch etwa zwei von drei Betrieben die Beziehung zu ihren Banken als unkompliziert einstuften, waren es 2016 nur noch 53 Prozent.

Allerdings sehen die Unternehmen auch den Druck, dem die Banken mittlerweile durch politische Vorgaben ausgesetzt sind. So sind sich 67 Prozent der befragten Unternehmen darin einig, dass verschärfte Regeln für die angespannte Situation bei der Kreditvergabe mitverantwortlich sind. Denn die Institute müssen ausgereichte Darlehen durch die Vorschriften von Basel III stärker als früher mit Eigenmitteln abpolstern. Die Unzufriedenheit ist deshalb nicht nur bei den Mittelständlern groß. Nach Angaben von Dirk Schlotböller, Konjunkturexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sehen 85 Prozent der Unternehmen im Kreditgewerbe in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Risiko für ihre eigene Geschäftsentwicklung. Neben der immer engmaschigeren Finanzmarktregulierung durch Basel III kämpfe das Gewerbe zudem mit den Herausforderungen der Niedrigzinspolitik sowie der Digitalisierung. Laut DIHK sind die „Geschäftserwartungen im Kreditgewerbe deshalb weiterhin deutlich nach unten gerichtet“. Mit neun Prozent rechnet weniger als jedes zehnte Institut mit einer Verbesserung der Geschäfte.

Laut Schlotböller schlägt sich die angespannte Situation „nicht mehr nur in negativen Lagebeurteilungen und pessimistischen Geschäftserwartungen nieder, auch die Beschäftigungs- und Investitionsabsichten gehen deutlich zurück“. Der Saldo aus positiven und negativen Stimmen bei der Personalentwicklung liege aktuell bei minus 58 Punkten (2016: -41). Zudem versuche keine andere Branche bei Investitionen mit 51 Prozent so stark zu sparen wie der Bankensektor (Gesamtwirtschaft: 33). Vor allem die kleineren Institute stehen unter Druck. DIHK-Experte Schlotböller: „Während die größeren Kreditbanken mit minus 28 Punkten der schwierigen Situation noch einigermaßen trotzen können, erreichen die Beschäftigungsplanungen im Genossenschaftssektor mit minus 51 Punkten und im Sparkassenbereich mit minus 76 Punkten historische Tiefstände.“

Source: www.welt.de

 

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